„Das hat uns die Polizei erlaubt. Wir dürfen hier rein und fahren“, meint der junge Mann auf der Endbacher Platte auf der Grenze zwischen den beiden Landkreisen Lahn-Dill und Marburg-Biedenkopf. In seiner Begleitung andere Jugendliche und junge Erwachsene, auf Motorrädern und zumindest optisch „aufgemotzten“ Autos. Die Frage des Mittelhessenblog-Reporters beantwortet er eher unwillig. Hintergrund der Frage: Hinweise von Anwohnern dieses Teils der rund 97 Kilometer langen B 255 zwischen Marburg und Montabaur auf dort illegal stattfindende Motorradrennen.
Langgezogene gerade Strecken und Serpentinbereiche mit teilweisen Haarnadelkurven prägen diesen Teil der B255 zwischen dem Gladenbacher Ortsteil Weidenhausen und Bischoffen am Aartalsee. Ebenso wie die L 3047, die von Wettenberg im Landkreis Gießen kommend, an der Endbacher Platte in die B255 mündet. In den zurückliegenden Jahren haben sich beide Straßen mit ihren kurvigen Abschnitten zu Rennstrecken entwickelt. Nicht nur für Motorradfahrer.
Beim Polizeipräsidium Mittelhessen, sowohl in Gießen wie auch in Dillenburg, löst die Frage nach der vermeintlichen Erlaubnis der Polizei Verwunderung aus. Ebenso die nach den illegalen Rennen. „Vor kurzem hatten wir dort erst große Kontrollen gehabt.“ Das in Korbach ansässige 112-Magazin, dessen Schwerpunkt Polizei- und Feuerwehrberichterstattungen sind, hatte am 17. Juni über eine gemeinsame Verkehrsüberprüfung der beiden regionalen Verkehrsdienste Lahn-Dill und Marburg-Biedenkopf berichtet. Die B255 führt durch diese beiden mittelhessischen Landkreise ins rheinland-pfälzische Montabaur.
Bei dieser Aktion seien neben Autos auch 27 Motorräder überprüft worden. Drei von ihnen seien wegen technischer Veränderungen aus dem Verkehr gezogen worden. Im Stadtgebiet von Herborn zog die Polizei wenig im Juli später einen 24-jährigen aus dem Verkehr, weil dieser sein Motorrad gegen sämtliche Vorschriften manipuliert hatte, einschließlich der Umgehung der gesetzlich vorgeschriebenen Drosselung der Motorkraft.
Im vergangenen Jahr war bereits versucht worden, an die Vernunft der Biker zu appellieren. Schließlich, als eigens aufgestellte Infotafeln an einem Parkplatz am Beginn der Serpentinstrecke hinter Weidenhausen keine Wirkung zu zeigen schienen, wurden die Parkplätze komplett gesperrt. Also auch für Berufskraftfahrer und Touristen.
Doch das eigentliche Ziel, die abschreckende Wirkung auf Biker, scheint nicht erreicht worden zu sein: Anstatt zu „cruisen“, also eher gemütlich als Motorradwanderer unterwegs zu sein, scheinen Teile der Bikergemeinde, weiter eher Spaß am „racen“, also am Rennen zu haben. Die Hinweise von den lokalen Anwohnern der B255 auf tollkühne Fahrmanöver von Bikern bestätigten sich, als wir die Strecken selber abfuhren. Teilweise trugen die Biker Actioncams an ihren Helmen, um ihre Manöver zu filmen. Das Muster glich sich immer wieder auf dem Abschnitt zwischen Endbacher Platte/Zollbuche und Weidenhausen auf der einen Seite und der einmündenden L3047 auf der anderen: Entweder auf der Endbacher Platte oder am Rande der im Serpentinbereich teilweise breit ausgebauten B255 trafen sich Motorradfahrer in Dreiergrüppchen, um dann mit schnellen Starts an Autos vorbei oder dicht auf sie auffahrend ihre Manöver zu fahren.
„Das machen nicht nur Motorradfahrer, diese Rennen. Autofahrer sind da genauso unterwegs. Wir haben da schon welche mit 200 Stundenkilometern gehabt“, erklärte Guido Rehr von der Polizeidirektion in Dillenburg. Erfreulich sei das alles sicher nicht. Aber man setze lieber auf Vernunft und Prävention als harte Maßnahmen.
Jetzt, so teilte Pressesprecher Stefan Schienbein beim Landkreis Marburg-Biedenkopf auf Nachfrage mit, sollen die Parkplätze an der B255 nach dem Ende der Motorradsaison im Herbst wieder geöffnet werden. Ein genauer Termin stehe aber noch nicht fest. Außerdem soll mit den beteiligten Behördern beraten werden, welchen Nutzen die Sperrung gehabt hatte und was künftig unternommen werden soll.
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