Liebe Mittelhessenblogleser: Wo liegt dieses Mittelhessen überhaupt, von dem dieses Blog seinen Namen hat? Gewiss, in der Seite DAS VORWORT ist die geographische Verbreitung beschrieben, in der das Mittelhessenblog seinen Schwerpunkt hat. Aber: Wer in einer Suchmaschine nach dem Begriff Mittelhessen sucht, wird überrascht sein, in welchem Zusammenhang dieses Wort überhaupt auftaucht:
Google meldet bei der Stichwortsuche Mittelhessen ungefähr 554000 Einträge, die Suchmaschine Ixquick spricht von ungefähr 59 aktuellen Topten-Platzierungen unter „mindestens 2.609.939“ gefundenen Einträgen. Mit anderen Worten: Wer nur mit Google sucht, findet auch nicht immer alles, auch nicht wenn es um Mittelhessen geht. Um nur einige zu nennen, ohne das dies eine besondere Hervorhebung ist: Volksbank Mittelhessen, Polizeipräsidium Mittelhessen, Mittelhessische Anzeigenzeitung (MAZ), im Internet mittelhessen.de und mittelhessen1.de, diverse Branchen‑, Vereins- und Firmenbezeichnungen, die das Wort Mittelhessen im Namen tragen.
Der regionale Zuschnitt ist allerdings immer ein anderer. Allen in diesem Artikel gerecht zu werden, ist ein Ding der Unmöglichkeit, deswegen greift das Mittelhessenblog exemplarisch einige heraus: Polizei, die Industrie- und Handelskammern (IHK) , unter den Gewerkschaften Verdi und den DGB, den Arbeitgeberverband Mittelhessen und die Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Unternehmer (ASU), nichtzuletzt die Tageszeitungen und Sender, die Mittelhessen in der Region mit im redaktionellen Angebot haben.
Für die Polizei sieht Mittelhessen so aus: Vier Polizeidirektionen in den Landkreisen Marburg-Biedenkopf, Gießen, Lahn-Dill und Wetterau. Der Vogelsbergkreis gehört nach Polizeiansicht zu Osthessen, der Kreis Limburg-Weilburg zu Westhessen. Bei diesen polizeigeographischen Ausdrücken ist jeweils von den Polizeipräsidien die Rede.
Wie sieht es bei den IHK’en in den fünf mittelhessischen Landkreisen aus? Unter dem Dach des IHK-Verbunds Mittelhessen finden sich tatsächlich alle fünf mittelhessischen Landkreise wieder. Geht man dann in die Einzelstruktur, hört es mit der Gemeinsamkeit auf. So hat die Industrie- und Handelskammer Gießen-Friedberg wie der Name es schon sagt, die Landkreise Gießen (geopolitische Zuordnung zum Regierungspräsidium (RP) Gießen / Mittelhessen) und Vogelsberg und den Wetteraukreis vereint. Letzterer gehört RP-Technisch aber nach Südhessen, also nach Darmstadt.
Zur IHK Lahn-Dill gehören dagegen die Altkreise Dill, Wetzlar und Biedenkopf. Was bedeutet, das alle IHK-Betriebe aus dem Lahn-Dill-Kreis sich an die Geschäftsstelle in Wetzlar wenden müssen? Stimmt soweit. Mit im Boot sind aber auch die Betriebe aus Biebertal und Wettenberg. Denn deren IHK-Geschicke werden ebenfalls aus Wetzlar und nicht aus der Lonystraße in Gießen gelenkt. Mit anderen Worten: Wer als IHK-Betrieb in einem Teilbereich des Westkreis Gießen wissen will, womit sich der Nachbarbetrieb in Heuchelheim herumschlagen muss, greift entweder zum Telefon, surft im Internet oder riskiert einen Blick in eins der Medien. In die eigene Kammerzeitschrift zu sehen, hat da mitunter nicht viel Zweck.
Die dritte IHK im Bunde ist schließlich die Marburger IHK. Auch hier offenbart sich das geopolitische Mittelhessenproblem: Die IHK-Betriebe aus dem Biedenkopfer Teil müssen sich nach Wetzlar wenden anstatt nach Marburg. Wobei IHK Marburg eigentlich falsch ist. Denn richtig heißt die IHK in Marburg eigentlich Kassel und gehört nach Nordhessen. Dass die Region Mittelhessen, wie sie der RP Mittelhessen, der Verein MitteHessen oder das Regionalmanagement Mittelhessen darstellen, dennoch davon profitiere, belegt der IHK-Verbund Mittelhessen mit einem anderen Projekt: Dem Beratungszentrum für elektronischen Geschäftsverkehr Mittelhessen, kurz EC‑M genannt. Das wird federführend von der IHK Gießen-Friedberg aus betreut.
Die Gewerkschaften scheinen dagegen ein Mittelhessenverständnis zu haben, das dem des RP, des Verein MitteHessen und anderer, die sich für das Mittelhessen der fünf Landkreise einsetzen, am ehesten nahe kommt: DGB-Büros in der Region Mittelhessen gibt es in Gießen, Marburg, Wetzlar und Alsfeld. Das verrät zumindest die Karte des DGB Mittelhessen. Was machen aber die Limburg-Weilburger und die Herborner. In dem Fall ist es gut, dass es Internetsuchmaschinen gibt: In Herborn und in Limburg gibt es Geschäftsstellen des DGB. Warum dies nicht auf den ersten Blick auf der Mittelhessenkarte des DGB auch so dargestellt wird und warum die Kontaktadressen aus Limburg-Weilburg und Herborn sich erst nach gezielter Suche erschließen, dazu gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Reaktion des DGB. Im Vergleich schneidet rein servicetechnisch der IHK-Verbund Mittelhessen gegenüber dem DGB Mittelhessen besser ab.
Für die andere große Gewerkschaft, die vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) existiert dagegen eher ein polizeitechnischer Mittelhessenbegriff. Denn wer unter Verdi Mittelhessen nachsieht, erfährt zwar, dass es Verdibüros in Mittelhessen in Gießen und Marburg gibt. Genauso gibt es die Ortsverbände in Wetzlar und Marburg-Biedenkopf. Wer aber nach Alsfeld sucht, findet sich plötzlich in Osthessen wieder.
Wie halten es der Arbeitgeberverband und die Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer (ASU) mit dem Mittelhessenbegriff? Nun, soweit es die Internetseiten von Hessen-Metall betrifft, müsste man schon eher von einem „Groß-Mittelhessen“ sprechen. Denn Hessen-Metall zieht einen Streifen von den Landesgrenzen zur Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz quer nach Osten bis zu den Landesgrenzen zu Thüringen. Arbeitgeber-Mittelhessen nimmt noch den Wetteraukreis und den Raum Fulda dazu, verzichtet dafür aber auf Marburg. Marburg gehört für Hessen-Metall schon wieder nach Nordhessen, so wie es die IHK in dem Fall auch sieht. Die ASU, die Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer, hinter der ein bundesweiter Zusammenschluss von Familienunternehmern steht, gibt sich dagegen bedeckt. Als Anprechpartner für Mittelhessen wird Oliver Ehmann aus Biebertal genannt. Wieweit aus ASU-Sicht Mittelhessen reicht, wird nicht erklärt.
Die verschiedenen Tageszeitungen in Mittelhessen haben ebenfalls einen recht unterschiedlichen Blick. Aus Sicht der Lahn-Dill-Gruppe (Wetzlarer Neue Zeitung, Marburger Neue Zeitung) gehören Limburg-Weilburg, Marburg, Wetzlar, Dillenburg und der Gießener Raum zu Mittelhessen. Unter der Rubrik Hinterland taucht dann allerdings auch Bad Laasphe auf. Und dieser Ort, auch wenn sich das Lahn-Quell-Gebiet in der Nähe befinden mag, gehört definitiv nicht zu Mittelhessen, noch nicht einmal Hessen. Bad Laasphe gehört zum Kreis Siegen-Wittgenstein und damit zu Nordrhein-Westfalen.
Wie halten es die beiden Gießener Tageszeitungen, der Gießener Anzeiger und die Gießener Allgemeine? Beim Gießener Anzeiger verschiebt sich das Mittelhessengewicht wieder weiter etwas nach Osten und Südosten. Geht es um Geschichten aus der Vogelsberger Gegend oder der Wetterau haben die eher eine Chance als Reportagen aus den westlichen und nordwestlichen Bereichen des Regierungspräsidiums. Geht es um die Definition dessen, was Mittelhessen ist, so taucht der Begriff Zeitungsgruppe Zentralhessen auf, zu der der Gießener Anzeiger gehört. Bei der Gießener Allgemeinen steht die redaktionelle Marschrichtung schon im Impressum. Dort heißt es: „Ihre Zeitung für Gießen und Umgebung.“ Auch der Name des Verlags trägt Mittelhessen im Namen: Mittelhessische Druck und Verlagsgesellschaft.
In Marburg sind es die schon erwähnte Marburger Neue Zeitung und die Oberhessische Presse, die sich um Mittelhessen kümmern. Laut Selbstverständnis sieht sich die Oberhessische Presse als Marktführer für den Bereich des Landkreises Marburg-Biedenkopf. Es gibt in der Gemengelage auch einen Mittelhessenboten. Der sitzt aber schon von seiner Firmenanschrift her in einem ganz anderen RP-Bereich: Gelnhausen gehört zum RP-Bereich Darmstadt, damit Südhessen. Von seinem Verbreitungsgebiet her gehört der Landkreis Gießen zum westlichsten Rand, der südöstlichsten Teil liegt scon im frnkischen in Bayern
Für den Hessischen Rundfunk, der in Gießen das Studio Mittelhessen betreibt, gehört Lauterbach schon dagegen wieder zu Osthessen. Geht es um Lauterbach und Alsfeld, taucht sowieso wieder ein Begriff auf, der aus Marburg bekannt ist: Oberhessen.
Was ist also Mittelhessen? Mittlerweile etwas, wozu sich nach Einschätzung Manuel Heinrichs vom Verein MitteHessen doch immer mehr Menschen zwischen Haiger und Lauterbach, zwischen Biedenkopf und Hungen bekennen: Eine sich mit der Zeit immer mehr durchsetzende gemeinsame Identität, die die verschiedenen Vorzüge der verschiedenen Regionen Mittelhessens miteinander zu verbinden weiß.
Im äußersten Fall ist nach dieser Zusammenstellung deutlich, dass Mittelhessen vom nordrhein-westfälischen Bad Laasphe bis nach Franken im Bundesland Bayern reichen kann, den Osten Frankfurts mitnimmt und im ganz eng defininierten Rahmen sich nur auf das Dreieck beschränkt, dessen Eckpunkte von Gießen. Wetzlar und Marburg bestimmt werden.
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