Sehr geehrter Herr Scholz, sehr geehrter Herr Schäfer-Gümbel,
das Bilderberg-Treffen beschäftigt seit seinem Bestehen politisch denkende und interessierte Menschen. Um das Treffen ranken sich Mythen und Legenden. Zum ersten Mal in der Geschichte dieses Treffens wurden nun vorab Ausschnitte der Themen und die Liste der aktuellen Teilnehmer veröffentlicht.
Die Kritik an diesem Treffen, zieht man einmal diverse Verschwörungstheorien ab, ist vor allem diese: Wie kann es sein, dass ein Treffen der höchsten wirtschaftlichen Vertreter der westlichen Industrienationen unter anderem gemeinsam mit Vertretern der deutschen Politik quer durch die Parteien und Funktionen unter hermetischem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden kann?
Welchen Einfluss das Bilderberger-Treffen tatsächlich auf die strategische und aktuelle Politik hatte, wurde lediglich dank der Arbeit investigativ tätiger Journalisten mosaikweise bekannt. Die jüngste Offenlegung wird in Medienkreisen als mögliche „Flucht-nach-Vorn-Reaktion“ interpretiert, um dem Treffen den Ruch der Geheimbündlerei zu nehmen.
Zumindest aus der Endzeit des 19. Jahrhunderts und dem ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ist die Praxis der Geheimkabinette bekannt. Fraglich ist, inwieweit diese Praxis in eine Gesellschaftsordnung passt, die vorgibt, auf dem Boden einer freiheitlich-demokratisch verfassten Grundordnung zu stehen, vornehmlich eine Gesellschaft wie die der alten Bundesrepublik Deutschland und deren Nachfolge seit 1990.
Nicht nur die Leser des Mittelhessenblogs dürften die Motive deutscher Politik interessieren, sich dem Primat einer, wie es zumindest das Selbstverständnis der Urheber des Treffens erscheinen lässt, Zusammenkunft unterzuordnen, die in erster Linie nicht vom Primat der Politik, sprich vom Primat der gewählten Volksvertreter, dominiert wird.
Es wäre sicherlich dem Rückgewinn des Vertrauens in die Arbeit der Politik und dem Vertrauen in funktionierende demokratische Strukturen westlicher Lesart förderlich, wenn gerade von Vertretern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands eine persönliche Stellungnahme über Gründe und Erwartungen für eine solche Teilnahme käme, genauso eine ungefilterte Würdigung der aktuellen Inhalte und Ergebnisse der Bilderberg-Konferenz 2010.
Mit den besten Grüßen und meinen Dank für eine zeitnahe, umfassende Antwort.
Ein Hinweis: Ich werde diese Anfrage genauso wie Ihre Antworten (oder Nicht-Antworten) im Mittelhessenblog dokumentieren. Sie werden diesen Link ebenfalls zugesandt bekommen. Ihre Emailadressen bleiben aus Schutzgründen verborgen. Eine Kopie dieser Anfrage geht in diesem Fall aus Dokumentationsgründen auch per Fax an das Bürgerbüro von Thorsten Schäfer-Gümbel.
Christoph von Gallera
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