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Was soll das eigentlich? Hier in Mittelhessen, in Wetzlar, kämpft mit Randall Evan Recknagel jemand um sein Bleiberecht. Die Kollegin Jana Peters von der Freien Presse in Sachsen berichtet nun über den Fall eines Weißrussen aus Chemnitz, der nach 21 Jahren abgeschoben werden soll. Die individuellen Gründe mögen unterschiedlich sein, aber: In beiden Fällen sind es Männer, die hier ihre familiären Bindungen haben, Existenzen aufgebaut, Arbeitsplätze geschaffen haben.
Das sind die Menschen, von denen in Sonntagsreden immer die Sprache ist: Die Integrationswilligen, die gut Integrierten. Die im Idealfall nicht nur fachliche Spezialkenntnisse mitbringen, sondern außerdem noch selber dafür sorgen, dass Menschen in Lohn und Arbeit kommen und damit in der Regel den öffentlichen Kassen nicht zur Last fallen. Das ist genau das, was immer als Positivbeispiel genannt wird.
Gewiss, wir haben Gesetze. An die man sich halten muss. Dafür sollten diese Gesetze klar formuliert sein. Wenn es um Diebstahl, Mord und ähnliches geht, ist die Sache klar. . Aber das Ausländerrecht? Das ist wie eine Fahrt durch die Nebelsuppe bei ausgefallener elektronischer Navigation: Man muss nach Sicht, Gehör und notfalls mit dem Lot fahren, um nicht auf Grund zu laufen. Ein Insider beklagt, dass viele Vorschriften im Ausländerrecht eher unter dem Aspekt drohender Gefahr formuliert seien denn mit der Absicht, Menschen, die nach Deutschland kommen und hier leben und arbeiten wollen, rechtlich sichere Fundamente zu bieten.
Im Falle von Randall Evan Recknagel war es die Tatsache, dass er seiner erkrankten Frau in den USA helfen wollte, desgleichen seinem Sohn. Dass er in dieser Zeit von den Menschen, denen er vertraute, geschäftlich geschädigt wurde, ist nicht sein Verschulden. Dass seine Abwesenheit aus Deutschland genutzt wurde, um ihm das Dach über dem Kopf wegzunehmen, ist ebenfalls nicht sein Verschulden. Dass, wie er selber sagt, Naivität hier eine zentrale Rolle gespielt habe, ist eine andere Sache. Aber kein Grund, jemanden, der hier seit Jahrzehnten lebt und sich nichts zu Schulden kommen lässt, plötzlich auszuweisen.
Im Falle des Weißrussen mag man anmerken, dass er letztlich nicht anders handeln konnte, wenn er seiner Familie eine Existenz bieten wollte. Um in Deutschland bleiben zu können, ließ er sich von seiner Frau scheiden, beide gingen mit jeweils anderen Partnern Scheinehen ein und lebten dennoch mit ihrem Sohn unter einem Dach. Das fiel den Behörden auf und wird nun zum Stolperstein für Schwotzer. Rechtlich hat Schwotzer gegen einschlägige Bestimmungen des Ausländerrechts verstoßen. Nur welche Perspektiven hätte er gehabt, wenn er sich an Recht und Gesetz gehalten hätten und hätte in Deutschland bleiben wollen. Geht man von der politischen Verfassung Weißrusslands aus, wäre vielleicht die Bitte um politisches Asyl in Frage gekommen. Nur dieser Prozess hätte sich gezogen. Mit ungewissem Ausgang.
Durch seinen Wunsch, hier leben und arbeiten zu dürfen, geriet Schwotzer mit dem deutschen Ausländerrecht in Konflikt. Im Falle Randall Evan Recknagels war es letztlich eine menschliche Regung, nämlich seiner Familie helfen zu wollen, weswegen der US-Amerikaner, der Deutschland und Mittelhessen als seine angestammte Heimat betrachtet, plötzlich sich eben in Gefahr sieht, eben genau diese zu verlieren. Und das ist in dem jedem Fall ein Unding. Die rechtliche Lage bringt Menschen wie Schwotzer und Recknagel ungewollt in eine rechtliche Schieflage. Und wenn das so ist, müssen die Gesetze angepasst werden – an die Menschen, die bewiesen haben, dass sie hier ebenso leben und arbeiten können, sich in die Gesellschaft einfügen wie jeder andere auch. Egal, aus welchem Land sie kommen.
Die Hoffungen liegen nun darin, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizières Worten im Juli möglichst bald rückwirkend mit einem neuen Zuwanderungsgesetz rechtskräftige Taten folgen, die den Schwotzers und Recknagels dieser Republik Sicherheit und Perspektiven geben und sie nicht plötzlich zu Fremden in einem ganz anderen Land machen.…
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