Wohnt in der Limburger Bischofsresidenz in Wahrheit ein verfluchter Gollum oder eine verkleidete gierige Fischersfrau? Der 53-jährige Bischof Franz-Peter Tebart-van Elst hat es geschafft, sich so sehr in „Szene“ zu setzen, dass er wohl auf Jahre hinaus Kabarettisten und Spottversdichtern eine Steilvorlage geliefert hat. Er hat aber wohl noch etwas anderes geschafft: Dreh- und Angelpunkt einer Debatte über eine neue katholische Kirche zu werden – die vielleicht inzwischen in ihren Gemeinden evangelischer geworden ist, als ihr selber bewusst ist.
Im Grunde könnte es einem evangelischen Journalisten eigentlich egal sein, was ein Papst treibt, ein Bischof oder sonstiger Würdenträger der Kirche, die den anderen Teil der Christenheit für eine Sekte halten. Und es kann eigentlich auch egal sein, ob dieser oder jener katholische Bischof nun in Limburg den Vatikan vertritt. Nur, dass was dort gerade geschieht, erinnert doch stark an die Wut, die die Reformatoren stark gemacht hatte. Sozusagen eine Reformation 2.0 in den Anfängen.
Insofern könnte man frohlocken und sagen: Liebe Limburger, holt das nach, was Luther Zwingli, Calvin und die anderen Reformatoren bereits vor bald fünfhundert Jahren gemacht haben: Jagt einen anachronistischen Machtapparat endlich zum Teufel und bestimmt tatsächlich mit der Gemeinde als Basis, was in Eurer Kirche geschieht. Licht und Schatten gibt es gewiss bei anderen auch. Nur das Ausmaß, einer wie es scheint, schon absolutistisch zu nennenden Amtsführung, hat wohl einen gewissen Einmaligkeitscharakter.
Chefarchitekt wirft Tebartz-van Elst Lüge vor
In der Bibel gibt es das 9. Gebot. Wörtlich heißt dies: Du sollst nicht lügen. Wieso der Limburger Bischof dieses Gebot anscheinend nicht ernst nimmt, das kann nur er allein wissen. Der Wetterauer Architekt Michael Frielinghaus, Leiter der Planungen für die Bischofsresidenz, wirft dem Bischof jedenfalls vor, die Öffentlichkeit und die Finanzkontrolleure getäuscht zu haben. Er habe sich bereits Dezember 2010 über die genannten Summen gewundert. Aus seiner Sicht jedenfalls ist alles in Ordnung und er bemüht in der Tat zuletzt mit seiner konspirativen Flucht und deren Motiv ein starkes Signal: „In Deine Hände Herr, befehle ich meinen Geist“. Der Herr ist in diesem Fall der Papst, aus katholischer Sicht der Stellvertreter Christi auf Erden. Insofern ist die Flucht aus Limburg vielleicht naheliegend.
Ex-CDU-Fraktionsvorsitzender aus Frankfurt stützt Hilfe zu Tebartz-van Elst auf Beginn der Bauplanung vor dessen Amtsantritt 2008
Allerdings: Tebartz-van Elst hat trotz des Unmuts und den inzwischen immer lauter werdenden Rücktrittsforderungen auch Unterstützer – die aus dem als konservativ bekannten Spektrum der katholischen Kirche kommen und denen der Reformkurs der sich inzwischen abzeichnet ein Dorn im Auge ist.
So schreibt der ehemalige Frankfurter CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Bernhard Mihm, gleichzeitig Kuratoriumsmitglied des Forums deutscher Katholiken, in der konservativen Kirchenseite kath.net unter der Überschrift „Warum ich mich für Bischof Tebartz-van Elst einsetze“
Das, was die Domstadt an der Lahn im mittelhessischen Südwesten also erschüttert, könnte man auch als einen Stellvertreterkrieg zwischen den beiden Lagern in der katholischen Kirche bezeichnen. Hier eine aufgebrachte Gemeinde, die Transparenz fordert – dort ein Bischof, der sich auf eine Tradition im Handeln beruft, die seinerzeit die Reformatoren und ihre Vorgänger auf den Plan gerufen hat. Was fordern Organisationen wie „Wir sind Kirche“ in der katholischen Kirche. Im Grunde Strukturen in der Verwaltung und in der Beteiigung am Gemeindeleben wie sie in den evangelischen Kirchen schon längst gang und gäbe. Dass sich die evangelischen Synoden, insbesondere die EKHN, zum Teil streiten wie die Kesselflicker, ist ein offenes Geheimnis, zuletzt ausgesprochen vom ehemaligen EKHN-Präsidenten Dr. Peter Steinacker während der Feier zum 60-jährigen Bestehen der EKHN-Synode 2007. Für Unkundige: EKHN steht für Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Die EKHN gilt als eine der streitlustigsten Landeskirchen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland. Vielleicht färbt die Streitkultur ja inzwischen ab auf die Limburger Katholiken.
Ein entscheidenden Unterschied bleibtt: Ob Tebartz-van Elst weiter Bischof bleibt, hängt nicht von ihnen oder einem Synodalverband, sondern einzig und allein vom Willen des Papstes. Und darin liegt eben der Kardinalunterschied: Hier demokratisches Prinzip, dass sich an der Basis orientiert, dort ein aus vordemokratischer Zeit stammendes Einsetzungsverfahren, das aus der Zeit gefallen scheint – ebenso wie der Brauch von bisher als Schattenkonten geführten Kirchengeldern – als Bischofsstuhl bezeichnet. So oder so: Eine glückliche Figur hat der Limburger Bischoff nicht abgegeben. Gewissermaßen der klerikale Christian Wulff.
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