Online ist fein. Online ist praktisch. Online kann aber auch gemein sein. Für Firmen wie Kunden. Auch in einem auf den ersten Blick so geschlossenen Kosmos wie Facebook:Ein aktueller Fall von Adressmissbrauch bei Werbeanzeigen bei Facebook. Opfer sind drei Onlinehändler aus dem Mode- und Einzelhandelsbereich mit einem Gesamtumsatzvolumen von zusammen rund 21,3 Milliarden Euro. Die Täter sitzen in China.
Lockangebot: Teure Edelbrillen für lau
Auf den ersten Blick sieht die Anzeige verlockend aus: Ray-Ban-Sonnenbrillen für knapp 20 Euro, ohne Frachtkosten. Kommen die noch dazu, dann werden noch einmal 11 Euro fällig. Nennt sich dann best flatrate und soll dafür stehen, dass man dann die Paketlieferung verfolgen kann. Angeblich, so wirbt die Seite, seien es Restposten. Und dass das Angebot maximal nur noch bis morgen gilt. Also schnell zugreifen. In der schnellen Onlinewelt geht das schnell. Das ist fast wie mit den ständig wiederkehrenden Werbeprospekten von schon seit Jahren immer wieder Pleite gehenden Teppichhäusern – etwa im Gießener Land. Die kommen alle Jahre wieder. Meistens dann, wenn es etwa zu Ostern oder Weihnachten etwas zu verschenken gilt.
Nur Werbeprospekte herzustellen,. braucht es eine Summe Geldes, einen gewissen Aufwand, eine Vertriebsstruktur – und dann die Hoffnung, dass die Prospekte nicht direkt als das erkannt werden, was sie eigentlich: Werbung für zumindest dubiose Geschäfte.
Nicht so bei der gesponserten Facebook-Anzeige. Die bezahle ich zwar auch selber. Und kann in der Regel damit steuern, wo ich wen damit erreichen will. Also die Zielgruppe: Nur junge zwischen 15 und 30 oder die so genannten Silver Surfer. Oder eben ob Mann, Frau, deutschsprachig oder nicht. Zunächst einmal muss ich als Unternehmen, das die Facebook-Werbung auf den Weg bringt, erst einmal nicht fürchten, dass die Werbung allenfalls zum Kartoffelschalen-Wegpacken zweckentfremdet wird. Geht mit so einer digitalen Anzeige nicht.
Und als potentieller Kunde freue ich mich vielleicht darüber, eine Information zu bekommen, die in der Flut sonst untergeht. Über so eine coole Ray Ban, Wayfarer. Wär doch was. Und wenn dann noch der Name einer bekannten Onlineshopmarke dabei steht, kann ja eigentlich nichts schief gehen. In diesem Fall kann aber doch etwas schief gehen. Wenn die bekannten Namen missbraucht werden und auf eine Seite führen, die auf den ersten Blick vielleicht gut aussieht. Dann aber doch zweifeln lässt.
Die Falle
Die Rede ist von der Seite germany-sunglasses.com. Auf dieser Seite landet, wer die derzeit (18. September 2013) bei Facebook als gesponserte Werbeanzeigen immer wieder auftauchenden Anzeigen klickt. Mal steht dort mit target.com als Adresse, dann castaluna.fr oder eben mit shoebuy.com Wer dann auf diese Anzeige klickt, landet auf germany-sunglasses.com.
Auf den ersten Blick eine Seite, die eben das macht, was so viele Onlineshops machen: Mit unverschämt günstigen Angeboten werben. Für knapp 30 Euro einschließlich Transportkosten einen Klassiker wie die Ray Ban zu kriegen, das wäre ja schon etwas. Nur ein Blick hinter die Seite macht dann doch stutzig. Keine konkreten Firmeninformationen unter dem Punkt „About us“..
Als Registierungsdatum steht da: 12. September 2013, für ein Jahr gültig. Registriert ist die Seite bei der HUZHOU BOSCH CHANG KING COMPUTER TECHNOLOGY CO., LTD. Als Kontakt ist Hong Kou aus Putian in der chinesischen Provinz Fuijan genannt. Die Stadt Putian gehört zu den ärmsten dieser Provinz. Dass von dort offensichtlich schon früher Versuche auf dem britischen Markt gestartet wurden, mit der Vermarktung von Ray Ban Brillen Kunden zu locken, geht aus der Meldung der Seite wa-com.com hervor. Diese Seite registriert täglich neu angemeldete Domains. Mit dem Datum 16. Juni 2013 wurde dort die Seite raybanukmail.com reserviert. Die Eigentümer- und Administrationsdaten weisen ebenso nach Putian wie die der Seite germany-sunglasses.com.
Administrative Contact:
Name : hong kou
Organization : hong kou
Address : putian city cheng xiang
City : putian
Province/State : Fujian
Country : CN
Postal Code : 351200
Phone Number : +86.05948381193
Fax : +86.05948381193
Email : 527616472@qq.com
Offensichtlich wurde der Versuch, in Großbritannien so Kunden zu gewinnen, öfters wiederholt. Zuletzt im August. Das Thema, zumindest für den britischen Markt, scheint bei Ray Ban angekommen zu sein. Anfang September fragt ein Facebookuser bei Ray Ban wegen der Domaine „getukrayban.com“ , die ebenfalls die gleichen Daten aufweist und bekommt auf dem offiziellen Ray-Ban-Profil bei Facebook diese Antwort: „Hey Mendim, this site is not an official site and appears to be selling fakes. We’re looking into this now. Thanks for the heads up.“ Auf Deutsch: .…„diese Seite ist keine offizielle Seite und scheint ein Fake zu sein. Wir werden uns jetzt drum kümmern. Danke für den Tipp.“ Diese Antwort gab Ray Ban am 9. September. Drei Tage später wurde die Seite registriert, die offensichtlich auf den deutschen Markt zielt. Unterstützt von eben den gesponserten Facebook-Werbeanzeigen, wie sie hier abgebildet sind.
Worauf man überhaupt bei solchen merkwürdigen Seiten als potentieller Kunde achten sollte, darüber informiert das Portal Polizei-Beratung.de unter „Fake-Shops“. Die Merkmale, die dort beschrieben sind, sind passen nahezu identisch auf diese Seite aus China. Was im einzelnen zu tun ist, um sich zu schützen, steht da auch: Keine spontane Kaufentscheidung, schon gar nicht erst einfach so die Kreditkartendaten bekannt geben. Genau darauf haben, so das Portal, die Betrüger nämlich abgesehen.
Große Handelsnamen auf dem internationalen Onlinemarkt als Opfer
Die Namen der Onlineshops Target.com, Castaluna und shoebuy. com. Target und Shoebuy sitzen beide in den USA, haben ihren Wurzeln auch dort. Wer sich die Firmengeschichte auf Wikipedia ansieht, dann die Einträge ihrer Websites, wann sie angemeldet wurden, wie oft aktualisiert, sieht, dass diese Firmen länger als erst ein, zwei Wochen existieren. Hinter Target steht eine Einzelhandelskette in den USA, deren Ursprünge im Jahr 1902 liegen. In den Staaten ist es der zweitgrößte Discounteinzelhändler nach Wal-Mart. 2013, so heißt es 2011 im Wirtschaftsmagazin Bloomberg, plane Target auf dem kanadischen Markt zu expandieren. Mexiko und Lateinamerika stehen genauso auf dem Investitionsplan. Mit anderen Worten: Es handelt sich nicht um eine kleine Kette mit einem überschaubaren Kundenkreis. Einen vergleichbaren Hintergrund hat Shoebuy.com: Nach eigenen Angaben handelt es sich um die weltweit größte Seite im Internet für Schuhe. Shoeybuy.com gehört zum Portfolio der 1995 gegründeten Interactive Corporation, kurz IAC. Hinter dem Unternehmen stecken laut Wikipedia vor zwei Jahren etwas mehr als zwei Milliarden US-Dollar Umsatz.
Die dritte Seite im Bunde braucht sich ebenfalls nicht zu verstecken. Castaluna gehört heute gemeinsam mit Onestopplus zur Redcat-Gruppe, eine weltweit auftretende französische Handelsgruppe, die mehrheitlich zum ebenfalls französischen Kering-Handelskonzern gehört.
Target erzielte laut Aktiencheck im November 2012 einen Umsatz von damals rund 6,18 Milliarden US-Dollar, was zum aktuellen Tageswert (18. September 2013) rund 4,63 Milliarden Euro entspricht, die IAC-Gruppe stand nach einer Meldung des Instituts für Medien- und Kommunalpolitik 2012 bei einem Umsatz von 2,8 Milliarden US-Dollar, was rund 2,1 Milliarden Euro entspricht und Kering erzielte 2010 einen Gesamtumsatz von 14,6 Milliarden Euro laut Wikipedia . Die Gesamtsumme entspricht rund 21,4 Milliarden Euro
Vorsicht: Journalisten fragen! Freundlich wegducken!
Über allgemein unseriöse Werbeanzeigen bei Facebook gerade angesichts der Börsennotierung hatte am 17. September bereits das Portal Netzwertig berichtet. Darin beklagt Martin Weigert die fehlende Qualitätskontrolle. Seine Versuche, von Facebook eine Stellungnahme zu bekommen, verliefen zäh, wie er bestätigte. Die Versuche, auf detaillierte Fragen zum Fall der drei gekaperten Onlinehändler Antworten über mögliche Sicherheitsvorkehrungen beliefen sich auf sicherlich freundlich gemeinte, die direkte Fragestellung aber nicht beantwortende Antworten der Hamburger PR-Agentur Heine PR und Kommunikation . Mit dem Hinweis, sie würden zwar Facebook als PR-Agentur auf dem deutschsprachigen Markt betreuen, seien selber aber nicht zitierfähig, verliefen die zugesandten Fragen, deren erste am 16. September direkt an die Adresse der offiziellen Facebook-Sprecherin Tina Kulow gesandt worden war, im Sande.
Kulow ist seit 2011 offizielle Pressesprecherin des US-Unternehmens, das 2011 dem deutschen IT-Branchenverband Bitkom beigetreten war. Um, wie es in der dazugehörenden Pressemitteilung heißt: „Wir nehmen unsere Verantwortung gegenüber den mehr als 20 Millionen deutschen Nutzern sehr ernst. Uns liegt sehr daran, dass auch die Menschen in Deutschland Facebook bedenkenlos nutzen können, um sich mit anderen zu verknüpfen und über Dinge auszutauschen, die sie mögen“. Das sagte damals Elliot Schrage, Kommunikationschef des Onlinenetzwerks. In Deutschland ist Facebook mit einem Ableger in der Rathausstraße 5 auch physisch vorhanden. In Form einer GmbH. Kulow wird laut der PR-Magazin-Ausgabe vom Mai 2011 zwar bescheinigt, im Internet bestens verdrahtet zu sein. Doch die Möglichkeit für Journalisten, von ihr eine Auskunft zu erhalten, seien von ähnlichem Erfolg gekrönt, wie die vieler Facebook-Nutzer, Antworten auf Hilfefragen zu bekommen. Die Fragen, wie nun mit offenkundig kriminellen Vorgehensweisen seitens Facebook umgegangen wird, bleiben außer dem Hinweis auf ohnehin bekannte Hilfeseiten bisher unbeantwortet. Dafür hatte Kulow allerdings noch am 16. September die aktuellen Nutzerzahlen für den deutschen Markt gepostet: Täglich seien mehr als 19 Millionen Nutzer bei Facebook unterwegs. Am selben Tag hatte Kulow die Anfrage zu den drei gekaperten Firmenadressen und den Hinweis auf die verdächtige Seite germany-sunglasses.com erhalten. Vermutlich werden die umtriebigen Schleuderpreis-Chinesen ähnlich weiter werkeln wie es die Werber mit jährlich wiederkehrenden Teppichausverkäufen im Gießener Land in Mittelhessen tun werden.
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