Es ist ein kompliziertes Rechtsgebiet, um das es in dem Rechtsstreit der Oberhessischen Presse mit ihrer Schwerbehindertenvertretung geht. Die beiden Abmahnungen wegen Arbeitszeitbetrugs und des Vorwurfes der Illoyalität sind vom Tisch. Dennoch wird es in vier Monaten einen nächsten Termin vor dem Arbeitsgericht in Gießen geben. Die Frage ist, was zu der Verhärtung der Fronten geführt hat, wieso die OP versucht, die Schwerbehindertenvertretung loszuwerden – zumindest, soweit es um die aktuelle Besetzung geht. Ist es nur ein regionaler Personalkrieg oder geht es darum, ein Signal für den Gesamtkonzern mit seinen 4000 Mitarbeitern zu bekommen?
Klar ist, es handelt sich um ein schwebendes Verfahren. Sprich, der Ausgang ist noch nicht klar. Und in der Regel geben prozessführende Parteien, solange ein Verfahren schwebend ist, keine Auskunft. Von seiten der OP gibt es deswegen derzeit auch keine Stellungnahme. Über die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht in Gießen hatte Ute Mank für das Mittelhessenblog hier berichtet.
Fragen, die bislang nicht geklärt werden konnten, bleiben dennoch offen: Haben ausschließlich innerbetriebliche Fragen in Marburg zur Verhärtung der Fronten geführt, mit denen die Menschen zu tun haben, die sich jetzt bei Gericht gegenüberstehen oder ist es Ausfluss einer Unternehmenspolitik, die an anderer Stelle entschieden wird? Vielleicht dient ein Blick hinter die Kulissen des Madsack-Konzerns? Die Oberhessische Presse gehört inzwischen zu 51 Prozent der Madsack-Gruppe. Diese wiederum gehört einer Gesellschafterversammlung, an der die hundertprozentige SPD-Tochter Deutsche Druck und Verlagsgesellschaft 23, 1 Prozent der Anteile hält. Es gibt allerdings auch eine Dr. Erich Madsack GmbH. Ebenfalls mit Sitz in Hannover. Dabei handelt es sich keineswegs nur um eine zufällige Namensgleichheit. Diese Dr.Erich Madsack GmbH leitet das so genannte operative Geschäft des Verlags, ist also für die Entscheidungen verantwortlich, die sich auf die Arbeit und Personalpolitik des Verlages auswirken. Und an dieser GmbH hält die DDVG ebenfalls Anteile. Die Anteile liegen bei 26 Prozent. Und damit hält die DDVG das, was man in Fachkreisen als Sperrminorität bezeichnet.
Was heißt das? Das heißt nichts anderes als: Welche geschäftspolitischen Entscheidungen auch von der Gesellschafterversammlung getroffen werden, nichts geht ohne die Zustimmung der Inhaber der Sperrminorität. Nähere Informationen hierzu bietet das Portal Wirtschaftslexikon24.com.
Über die Zusammenhänge zwischen Madsack und der DDVG zu berichten, ist kein Verrat bestens gehüteter Geschäftsgeheimnisse. Denn sowohl die DDVG hat ihre Beteiligung an den diversen Medienunternehmen in Deutschland offengelegt und der Madsack-Konzern selber hat dafür gesorgt, dass die Öffentlichkeit bestens über die maßgeblichen Interna unterrichtet ist. Jedenfalls über die Interna, die klarstellen, dass die Weichen, die von den Konzernspitze gestellt werden, für die 4000 Mitarbeiter (Stand 2010) Geltung haben. Für diese Transparenz hatte der Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns, Dr. Friedhelm Haak selber gesorgt, während eines Vortrags an der Leibniz Universität in Hannover zu Medien im Wandel.
Verantwortlicher Geschäftsführer für den konzernweiten Personalbereich ist danach Rüdiger Garbs, für die Verlagsbereiche Mitte und Süd ist Thomas Düffert zuständig.
Sprich, auf der Arbeitnehmerseite ist konzernweit, wenn es um die Interessen von Schwerbehinderten geht, eben jene Frau P. das Gegenstück mindestens zu Garbs, wenn es um Entscheidungen im personalpolitischen Bereich geht – sprich, ihr kommt qua Amt, auch wenn dieses ehrenamtlich wahrgenommen wird, eine gewisse Machtposition zu. Das, was P. und die Geschäftsführung der OP nun vor Gericht gebracht hatte, war P.s Einsatz für eine erkrankte Redakteurin. Die Abmahnungen, die sie deswegen kassiert hatte, hatte der Richter für unzulässig erklärt.
Wie sieht es nun mit der DDVG und deren Einflußnahme auf unternehmerische Entscheidungen in Unternehmen aus, an denen sie Beteiligungen hält? Nach eigenen Aussagen hält sich die DDVG damit zurück. Auf ihrer Website heißt es:
Das Engagement im Segment der regionalen Tageszeitungen trägt zum Erhalt einer lebendigen mittelständischen Presselandschaft bei. Dabei vermeidet die ddvg beherrschenden Einfluss und hält in der Regel Minderheitsbeteiligungen. Die Geschäftsführung der ddvg ist aktiver Gesellschafter, macht selbst aber keine Zeitungen. Die ddvg fühlt sich der inneren Pressefreiheit verpflichtet.
Was heißt dies nun. Mit dem Ausdruck „Innere Pressefreiheit“ ist die Unabhängigkeit der Redaktion gegenüber ihrem Verleger gemeint. Sprich, die Freiheit etwas zu schreiben, auch wenn der Verleger dies nicht gutheißt. Soweit klar. Die ddvg sagt damit: „In eure journalistische Arbeit mischen wir uns nicht ein.“ Etwas anders sieht dies aber mit dem Dreiklang „vermeidet beherrschenden Einfluss“ – „hält in der Regel Minderheitsbeteiligungen“ und „Geschäftsführung der ddvg ist aktiver Gesellschafter“ aus. Diese Formulierung lässt zumindest Interpretationen zu.
Und diese Interpretationen finden zumindest in den Vorgängen rund um die Erledigung der Redaktion der Westfälischen Rundschau (ehemals WAZ- jetzt Funke-Gruppe) Nahrung. Damals berichtete das Medienportal Meedia über die scharfe Kritik der SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendriks. Die Medienholding der SPD, die ddvg plane rechtliche Schritte gegen die WAZ. Die ddvg als Minderheitseigner an der Westfälischen Verlagsgesellschaft (13,1 Prozent) fühle sich hintergangen. Sie hätte der WAZ keine freie Hand geben wollen. (Näheres :Meedia.de 15. Januar 2013) . Mit anderen Worten, die ddvg als Anteilseigner sieht sich sehr wohl in der Lage, falls nötig, gestalterisch in die Unternehmenspolitik einzugreifen. Nun stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Verbindung DDVG-Madsack-Oberhessische Presse haben wird. Noch sind vier Monate Zeit und das Thema Schwerbehindertenvertretung lag der SPD zumindest an anderer Stelle sehr am Herzen, weiß das Portal der DPVKOM (Deutsche Kommunikationsgewerkschaft) zu berichten: „Antrag der SPD-Bundestagsfraktion „Ausgleichsabgabe erhöhen und Menschen mit Behinderung fairen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen“ (BT-Drs.: 17/9931)“ , heißt es in einer Überschrift.
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