POLITIK und WIRTSCHAFT/UMWELT
„Wir sind froh, dass es nun nach sieben Jahren klar ist, wie die Zukunft am Natotanklager aussieht“, beschreibt der Hohenahrer Bürgermeister Armin Frink seine Gefühlslage. Solange schlief das Gelände, auf dem sich inzwischen Ginster, Brombeerbüsche, Kiefern und andere Vegetation breit gemacht hatten, einen Dornröschenschlaf , nur unterbrochen von den eher stillen Aktivitäten der Aartal-Poacher, dem örtlichen Bogenschützenverein, der dort seine Heimat gefunden hat. Nun soll es Schlag auf Schlag gehen bis ab Dezember, spätestens ab 1. Januar 2012 mehr als 15000 Module eines Solarparks für Strom sorgen werden. Das Sonnenenergiekonzept passt in die Pläne zum Ausbau der erneuerbaren Energie der Gemeinde, die ergänz werden sollen um den Bau von Windkraftanlagen (WKA). Mit der Errichtung der konventionellen WKA sind in der Regel aber immer wieder Proteste besorgter Anwohner verbunden. Dass in der mittelhessischen Kernregion vielleicht richtungsweisend ein anderer, weniger tief eingreifender Schritt zu Nutzung der Windenergie gegangen werden könnte, zeigt ein Blick nach Finnland und zu einem Wolkenkratzer-Neubau nach Guangzhou (Kanton), der Partnerstadt Frankfurts in Südchina.
Die Würfel sind gefallen und ab Dezember sollen 15136 Module eines Solarparks auf dem Gelände des ehemaligen Natotanklagers in der Gemarkung von Erda, Hauptort der Gemeinde Hohenahr, für Strom sorgen. Das berichtet Hohenahrs Bürgermeister Armin Frink von der jüngsten Gemeindevertretersitzung. Dass dies so schnell gehe, hänge mit der Fristen der Einspeisevergütung für Solarstrom zusammen, sagte Frink. „Die Entscheidung haben wir im Grunde erst vor kurzem getroffen“, sagt Georg Rühl von der gleichnamigen Elektrofirma aus dem Lohraer Ortsteil Kirchvers, die sich auf die Montage von Solartechnik spezialisiert hat. Gemeinsam mit seinem Bruder Wilfried gehört Georg Rühl zu einer Investorengruppe von sieben Bürgern aus den beiden Marburger Südkreisgemeinden Fronhausen und Lohra, die allesamt in der Region bekannt sind: Neben den beiden Rühl-Brüdern sind es Heinz Hermann und Georg Michel vom gleichnamigen Lohraer Bauunternehmen sowie Hans-Wilhelm Kisch. Der Steuerberater war noch in der vergangenen Wahlperiode BfB-Abgeordneter des Lohraer Gemeindeparlaments gewesen. Aus Fronhausen stammen Heinrich Bremer von der Steuerberatungsgesellschaft BUK STB GmbH und Herbert Etzelmüller. Insgesamt gibt die Gruppe eine Summe von acht Millionen Euro aus, um den Solarpark zu bauen. Wie Hohenahrs Bürgermeister Frink sagt, profitiere die Gemeinde von dieser Investition durch die zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen. Frink spricht von rund 380000 Euro über einen Zeitraum von 20 Jahren, gerechnet ab 2018. Denn der Sitz der künftigen Solarpark Hohenahr GbR soll auch in der namensgebenden Gemeinde sein. Wie Frink sagt, seien sämtliche naturschutzrechtlichen Aspekte überprüft worden, ebenfalls müssten die auf dem Gelände beheimateten Bogenschützen nicht um ihr Trainingsgelände fürchten. Mit den Rodungsarbeiten für den Solarpark sei inzwischen begonnen worden. Wenn die Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen sind, sollen im September dann die Module errichtet werden. Laufe alles nach Plan, sei die Anlage im Dezember dann startklar. Durch den Bau des Solarparks könnten relativ 1100 Einfamilienhäuser mit Strom versorgt werden. „Das ist lediglich eine statistische Größe. Da wir ja am öffentlichen Stromnetz nachwievor hängen, können wir natürlich nicht sagen, wieviel Strom dann von der Solaranlage nach Hohenahr fließt und wieviel von außen kommt“ so der Bürgermeister. Die Investition, so wurde während der Vorstellung des Vorhabens in der Gemeindevertretersitzung deutlich, bedient noch einen anderen statistischen Wert: Hohenahr werde mit seinem Anteil an erneuerbaren Energien dann sogar noch über den Werten des Lahn-Dill-Kreises, der Region Mittelhessen und des Landes selber liegen. Insgesamt sollen in dem neuen Solarpark 3,1 Millionen Kilowattstunden jährlich anfallen, was einer durchschnittlichen Kohlendioxidverringerung von 432 Kilo pro Einwohner Hohenahr entspreche.
Ursprunglich hatten sich auch Einheimische als mögliche Investoren gemeldet, mit denen sei jedoch eine Übereinkunft getroffen worden. So sei denkbar, dass der Solarpark noch erweitert werde, berichtet Georg Rühl. In dem Fall könnten die jetzt zurückgetretenen Investoren wieder mit ins Boot kommen. Hohenahrs Bürgermeister Frink sieht seine Gemeinde auf dem Weg in eine von konventioneller Energie inmer weniger abhängige Kommune. Dazu sollen die Pläne für Windräder beitragen, die in der Nähe der Jugendburg Hohensolms postiert werden könnten. Dies jedenfalls hatte Frink im Gespräch mit der Mittelhessenblog-Redaktion durchblicken lassen. Entsprechende Gemeinderatsbeschlüsse seien schon gefasst worden.
Die Absicht der Gemeinde an Grenze zum Landkreis Gießen deckt sich durchaus mit Überlegungen, die auch in den Nachbarkommunen Biebertal und Lahnau gehandelt werden. Wie und ob die Pläne Wirklichkeit werden, wird sich zeigen. Denn die Errichtung von Windkraftanlagen war quer durch das Gebiet des Regierungspräsidiums Gießen/Mittelhessen immer wieder von Protesten begleitet. Neben dem Landschaftargument ( eingreifende Veränderungen im Landschaftsbild) waren es vor allem Argumente wie permanenter Schattenwurf , Laufgeräusche und nicht zuletzt Gefährdung von Vögeln. Von der Windradbranche kommen dagegen regelmäßig Gegenargumente. Dreh- und Angelpunkt der Kritik sind dabei die hochaufragenden Masten und Rotoren der Windkraftanlagen (WKA). Nun scheint es aber, als ob es echte Alternativen zu den bisherigen auffälligen Windrädern gibt. Die mögliche Lösung kommt aus Finnland.
Finnland ist die Heimat von Risto Joutsiniemi. Der Finne befasst sich schon seit Jahren mit Windkraftlösungen, die weniger auffällig und, wie er sagt, effektiver sind. Und ungefährlicher als messerscharf durch die Luft wirbelnde Rotorenblätter. 2009 hatte er sein Verfahren in den USA patentieren lassen. Inzwischen werden die senkrechten Windturbinen in seiner Heimat produziert und finden nun im Pearl River Tower in Kanton ihren Einsatz – einem ökologischen Vorzeigeprojekt der Chinesen, die damit zeigen wollen, dass alternative Energie aus Sonnen- und Windkraft kostengünstig so umgesetzt werden können, dass dabei gleichzeitig andere störende Umweltbeeinflussungen reduziert werden oder gar nicht erst stattfinden.
Ob diese Technologie möglicherweise auch in Mittelhessen zum Einsatz kommen könnte? Denn grundsätzlich, so beschreibt es Joutsiniemi können die Turbinen auch mitten in einer Wohngegend aufgestellt werden, mitten im Dorf, in der Stadt, ohne dass sich jemand belästigt, gefährdet vorkäme. Und genug Energie für ganze Wohnblocks ließe sich auch erzeugen.
Mit Joachim Wierlemann, dem Vorsitzenden des hessischen Landesverbandes des Bundesverbands Windenergie und Dr. Aribert Peters, dem Vorsitzenden des Bundesverbands der Energieverbraucher gibt es zumindest Stimmen, die sich die senkrechten Windflüsterer als Alternative zu den bisher gewohnten hoch aufragenden Windrädern vorstellen könnten. Wobei Peters in seiner Bewertung noch eher zurückhaltend ist. Für Wierlemann ist entscheidend, dass die Turbinen in der Lage sind, auch bei schwachem Wind Energie zu erzeugen. Grundsätzlich jedenfalls könnte er sich vorstellen, dass Mittelhessen eine Pilotregion für die Turbinen werden könnten, wie sie zur Zeit in Guangzhou eingesetzt werden. Jetzt kommt es eigentlich nur noch darauf an, dass man beim RP mitzieht. Dann wären Bürgerinitiativen und Vorbehalte gegen große Windkrafträder vermutlich irgendwann Geschichte.
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